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Es ist nicht immer einfach, ein Thema zu finden, welches die Jugendlichen von heute so sehr interessiert, dass sie ihm mehrere Tage ihrer Sommerferien in einer bisher unbekannten Gruppe widmen wollen. Doch Mara Schmied-Tautz, die sich vor zehn Jahren entschloss, vom westdeutschen Wuppertal in das kleine Dorf Lauterbach im sächsischen Erzgebirge zu ziehen, hat etwas gefunden, mit dem sich junge Menschen identifizieren können: GRAFFITI. Eine Kunstform, die sich zwar auf den ersten Blick nicht ohne weiteres mit der traditionellen Architektur erzgebirgischer Dörfer vereinbaren lässt, die aber immer häufiger zur Verschönerung von unansehnlichen Containern oder Industrieanlagen, aber auch von öffentlichen Plätzen wie der Bushaltestelle in der Ortsmitte eingesetzt wird.
Doch wie erreicht man ein Ergebnis, das nicht abschreckt, sondern die Aufmerksamkeit der Passanten weckt? Das ist eine Aufgabe für Profis, wie die Künstler des Chemnitzer Ateliers Rebel-Art, die sich seit über zwanzig Jahren mit Graffiti-Kunst beschäftigen und unter anderem viel Erfahrung mit Workshops für Jugendliche haben. Diesmal war es eine deutsch-tschechische Gruppe, wobei der deutsche Teil aus Lauterbach und anderen Ortsteilen Marienbergs bestand, die gerade ihre Sommerferien begonnen hatten. Die tschechische Hälfte bildeten Schüler der Grund- und Oberschule Duhová cesta (Regenbogenweg) in Chomutov, die sich für bildende Kunst interessieren und für die es eine angenehme Abwechslung war, in der letzten Woche des Schuljahres an drei Tagen nach Deutschland zu fahren.
Beim Anblick der großen gemauerten Bushaltestelle, die die Stadt Marienberg extra für dieses Projekt saniert hatte, konnte ich nicht glauben, dass in zwei Tagen Arbeit ein fast realistisches Panorama des Dorfes und seiner Umgebung entstehen konnte. Dieses interaktive Wimmelbild zeigt viele Stationen des historischen Rundweges Lauterbach, wie die Wehrkirche Lauterbach oder den Aussichtspunkt Lauterbacher Knochen, einen steinernen Meilenstein. Der Bach, der dem Ort seinen Namen gibt, fließt aus einer Flasche Lauterbacher Tropfen, der den Ort weit über seine Grenzen hinaus bekannt gemacht hat.
Die Schülerinnen und Schüler machten sich mit so viel Tatendrang an die Arbeit, dass wir sie bremsen mussten, um die Sprühdosen vor frühzeitigem Entleeren zu schützen.
Die Kommunikation fand hauptsächlich auf Englisch statt, auch wenn einige tschechische und deutsche Wörter bei der Sprachanimation hängen geblieben sein mögen.
In einem Interview mit der Redakteurin des mdr (Mitteldeutscher Rundfunk) gaben einige tschechische Mädchen zu, dass sie sich Deutschland überhaupt nicht SO vorgestellt hatten und dass die Erfahrung ihre Erwartungen übertroffen hat. Das hört man natürlich gerne, doch es bleibt die Frage, WIE sich die Jugendlichen das Nachbarland vorstellen, wenn sie es bisher nur vom Einkaufen oder den kurzen Besuchen im Wasserpark kannten.
Auf jeden Fall zeigen solche Projekte, dass sich die Anstrengungen, die einige Enthusiasten unternehmen, um ein mehrtägiges grenzüberschreitendes Projekt zu organisieren, durchaus lohnen. Manchmal dauert es ein paar Jahre von der Idee bis zur Realisierung, aber eine farbenfrohe Bushaltestelle wird noch viel länger den Ortskern zieren und die Erinnerungen der jungen Menschen, die so zu Kreativität und Entdecken einer anderen Kultur angeregt wurden, werden noch viel nachhaltiger sein.
Ein großes Dankeschön gilt an die Projektorganisatorinnen Mara und Sophie von der Diakonie Marienberg und an Renata von der Grund- und Oberschule Duhová cesta, die ich sofort für dieses Projekt begeistern konnte und die ihre Kollegin samt Schüler mit ihrer Begeisterung ansteckte. Außerdem organisierte sie eine Exkursion für die deutschen Projektteilnehmer an ihrer Schule, die so erfolgreich war, dass die deutschen Schüler angeblich sofort wechseln wollten. Warum eigentlich nicht – sei es nur für ein Jahr… Ich bin überzeugt, dass auch ein solcher Austausch viel Positives mit sich bringen würde.
Marta Schreiter