Im Herzen Europas, wo die kulturellen Traditionen von Tschechen und Deutschen aufeinandertreffen, entstehen einzigartige Projekte zur Erneuerung ländlicher Höfe. Zwei von ihnen – Auguste77 im sächsischen Olbersdorf und der Wohlmann-Hof im tschechischen Václavice – verbindet nicht nur die geografische Nähe, sondern auch eine gemeinsame Vision: historische Gebäude als Zentren des Gemeinschaftslebens wiederzubeleben.
Doppelporträt: Die Geschichten der Höfe in Kürze
Auguste77 (Deutschland):
Der Verein Anderswurzeln e.V. erweckt schrittweise einen Dreiseithof aus dem 19. Jahrhundert zum Leben. Ziel ist es, einen Raum für ökologische Landwirtschaft, Handwerksstätten und kulturellen Austausch zu schaffen. Die Aktivitäten umfassen die Wiederherstellung ursprünglicher Obstgärten sowie die Veranstaltungen unter freiem Himmel.
Wohlmann-Hof (Tschechien):
Dieses Kulturdenkmal mit einzigartiger Architektur aus der Ersten Republik wird zu einem lebendigen Zentrum für traditionelles Handwerk. Die Gemeinschaft um Matouš Kirschner organisiert hier Jakobswege, Erntefeste oder Workshops zur Wollverarbeitung. Kürzlich haben sie erfolgreich eine Crowdfunding-Kampagne für neue sanitäre Anlagen abgeschlossen.
Kulturerbe vs. Modernisierung
Bei der Erneuerung beider Höfe stellt sich eine Schlüsselfrage: Wie findet man die Balance zwischen der Bewahrung des historischen Wertes und der Anpassung an heutige Bedürfnisse? Beide Projekte zeigen, dass die Erneuerung ländlicher Höfe nicht nur die Rettung von Mauern betrifft, sondern vor allem die Erhaltung der lokalen Identität in einer globalisierten Welt.
„Jede Rekonstruktion ist ein Dialog mit der Vergangenheit. Wir müssen uns fragen: Was bleibt ein Museumsexponat und was verwandeln wir in einen lebendigen Teil der Gegenwart?“ In diesem Punkt stimmen sie in Olbersdorf und Václavice überein.
Finanzen als gemeinsamer Feind?
Obwohl beide Akteure versuchen, verschiedene Fördermittel zu nutzen, sind sie sich über die Hauptschwierigkeiten einig. Eines der Hauptprobleme ist der allgemeine Mangel an finanziellen Mitteln für Kultur und Denkmalpflege. Dies zeigt sich besonders in dem geringen Volumen verfügbarer Mittel auf nationaler und regionaler Ebene. Kulturbudgets haben eher erhaltenden als entwickelnden Charakter, und eine auskömmliche und komplexe Finanzierung von Projekten ist besonders für kleinere Städte (bis 5.000 Einwohner) extrem schwierig, oft sogar unmöglich.
Das System zur Finanzierung des kulturellen Erbes ist relativ kompliziert, da es verschiedene Quellen (öffentliche Zuschüsse, EU-Fonds und private Quellen) mit oft unterschiedlichen Ansätzen und Bedingungen für den Erhalt von Fördermitteln umfasst. Diese Zersplitterung führt zu Schwierigkeiten bei der Orientierung in den Finanzierungsmöglichkeiten und bei der Koordination verschiedener Quellen.
Die Mittelbeschaffung ist daher mit einem hohen bürokratischen Aufwand bei der Antragstellung und einer anschließenden aufwendigen Abrechnung und Berichterstattung der Projekte verbunden.
Die langfristige Sicherstellung der finanziellen Nachhaltigkeit von Kulturerbeprojekten ist jedoch das brennendste Problem dieser und ähnlicher Initiativen. Sie sind größtenteils langfristig von kurzfristigen Zuschüssen und Fördermitteln abhängig. Stabile Einkommensquellen sind nur sehr schwer zu finden.
Zukunft ohne Zuschüsse? Die Erfahrungen beider Teams laden zum Nachdenken ein: Welche alternativen Finanzierungsmodelle könnten die Abhängigkeit von Fördermitteln verringern? Beide Projekte stehen vor demselben Problem: Wie lässt sich Kontinuität ohne ständige Suche nach Zuschüssen absichern?
Gemeinschaft als Motor des Wandels
Die ehrgeizigen Pläne basieren auf einer Voraussetzung: der Einbeziehung der Einheimischen. Wie überzeugt man die Bewohner, dass ein verfallener Hof zum Antrieb für die Entwicklung der gesamten Gemeinde werden kann? Der Wohlmann-Hof zeigt den Weg – dank regelmäßiger Jahrmärkte ist es gelungen, die Teilnahme der Einheimischen an Veranstaltungen deutlich zu erhöhen. Auguste77 setzt auf „Handwerksstätten“, in denen Menschen generationenübergreifend handwerkliche Fähigkeiten weitergeben. Ist dies ein Weg, um junge Familien davon zu überzeugen, dass das Leben auf dem Land eine Perspektive bietet? Diese ländlichen Höfe können so zu einem Gegengewicht zur einheitlichen globalen Kultur werden.
„Jedes Treffen zeigt uns, dass die Probleme des Grenzgebiets keine sprachlichen Grenzen kennen. Gemeinsam suchen wir nach Lösungen, wie wir diesen Orten wieder Leben einhauchen können“, fügt Matouš Kirschner vom Wohlmann-Hof hinzu.
Svatojakubská pouť, Václavice, červenec 2023
Diese Geschichte beweist, dass selbst scheinbar lokale Projekte am Beginn einer neuen Form der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit stehen können. Während Politiker über europäische Integration diskutieren, wächst auf den ländlichen Höfen bereits eine Brücke der Verständigung – Stein für Stein, Baum für Baum. Was werden Sie tun, damit diese Brücke auch Ihre Umgebung verbindet?
Sehen Sie in ähnlichen Projekten eine Chance für Ihre Region? Könnten Sie der/die/dasjenige sein, der/die/das eine neue Idee einbringt oder scheinbar unverbundene Menschen zusammenführt? Genau jetzt werden neue Enthusiasten und Macher für den nächsten Jahrgang von „Ein Jahr an der Grenze“ gesucht.